3.8 BVD-Eradikation: Schweden
 

Bereits seit 1993 betreibt Schweden (auch Norwegen; Dänemark und Finnland folgten 1994) die systematische Bekämpfung der Bovinen Virusdiarrhoe auf nationaler Ebene, mit dem erklärten Ziel der Eradikation von BVDV. Die Teilnahme am Programm ist freiwillig und wird durch die teilnehmenden Landwirte finanziert. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass 100% aller Milchbetriebe und 99% aller Fleischbetriebe mitmachen [71]. Die Skandinavier verzichten dabei konsequent auf die Impfung und setzen dafür umso mehr auf sorgfältiges Monitoring und Eliminierung von PI Tieren. Zu Beginn der Eradikationskampagne lag die Seroprävalenz in Schweden bei 47%, im Jahre 2001 noch gerade bei 5%. Die ganze Bekämpfungsstrategie basiert auf einer genauen Kenntnis der epidemiologischen Gegebenheiten in Schweden, deren wichtigste Merkmale eine relativ geringe Populationsdichte und eine unterdurchschnittliche initiale Seroprävalenz sind. Das schwedische Bekämpfungs-Modell sieht 3 Stufen vor [72]:

 
  • (1) Aufteilung der Population in infizierte und nicht-infizierte Herden
  • (2) Überwachung und Zertifizierung nicht-infizierter Herden
  • (3) Viruseliminierung aus infizierten Herden
 

1. Die Aufteilung der Population in infizierte und nicht-infizierte Herden erfolgt mittels routinemäßiger Analyse von Tankmilchproben oder Serum- bzw. Milchproben einer kleinen Anzahl Tiere einer bestimmten Altersgruppe (sog. Spot Tests). Das diagnostische Mittel der Wahl ist dabei der Antikörper-ELISA. Indirekt kann so die Existenz von PI Tieren nachgewiesen werden (hohe Antikörpertiter lassen auf eine kürzliche Infektion schließen, während bei niedrigem AK-Titer eher von einer einige Jahre zurückliegenden Infektion ausgegangen wird). Die Zuverlässigkeit der Spot Tests beruht auf der hohen Wahrscheinlichkeit, dass Stallgenossen in Anwesenheit eines Virämikers serokonvertieren. Finden sich also seropositive Tiere kann auf das Vorhandensein eines PI Tieres in der Herde geschlossen werden. Der direkte Antigen- (Virus-) Nachweis mittels RT-PCR ist zwar möglich, seine Aussagekraft ist aber bezüglich Infektionsstatus der Herde geringer, da ein PI Tier nicht notwendigerweise zu den gemolkenen Tieren gehören muss. Mindestens ebenso wichtig wie der Nachweis von infizierten Beständen ist die Identifizierung BVD-freier Betriebe, damit diese mit entsprechenden Maßnahmen, etwa durch gezielte Information der betreffenden Landwirte, vor einer Infektion geschützt werden können.

2. Zertifizierung: BVD-freie Betriebe werden als solche zertifiziert und sind berechtigt, ihre Tiere ohne individuelle Tests unter dem Label “BVD-frei” zu veräußern. Damit eine solche Zertifizierung erfolgen kann, müssen zwei Proben (Tankmilch, gepoolte Milchproben von 5 - 10 primiparen Kühen oder individuelle Blutserum-Proben von 5 - 10 Jungtieren über 15 Monaten) in einem minimalen zeitlichen Abstand von 7 Monaten negativ ausfallen. Alternativ können alle Tiere eines Bestandes in einem Abstand von mindesten 4 Wochen zweimal auf Virus und Antikörper getestet werden. Die Zertifizierung wird jährlich durch Wiederholungstests neu bestätigt. Sind allerdings Tierbewegungen geplant (etwa Verkauf von Tieren, Teilnahme an Ausstellungen, Benutzung gemeinsamer Weideflächen), so darf der letzte negative Test nicht mehr als drei Monate zurückliegen. Sind die Resultate solcher Wiederholungstests positiv, so wird die Zertifizierung unverzüglich widerrufen.

3. Viruseliminierung aus infizierten Herden: Damit eine Viruseliminierung in einem Betrieb gestartet werden kann, muss das Vorhandensein eines Virus zuerst zweifelsfrei feststehen. Dies ist der Fall bei einem positiven Spot Test bei 6 - 9 Monate alten Kälbern, bei einer bestätigten Serokonversion oder Virämie eines Tieres im Bestand oder bei einem positiven PCR-Test von Tankmilch. Die Besitzer von infizierten Betrieben werden angehalten, von der Veräußerung von Tieren einstweilen abzusehen und auch sonst jeglichen Kontakt zu anderen Beständen zu vermeiden. Sollte die Verschiebung von Tieren unvermeidbar sein, so müssen die betreffenden Individuen einzeln auf das Vorhandensein von Virus getestet werden.

 

 

Vorgehen bei Viruseliminierung aus einem Betrieb

  • 1. Alle Tiere eines Bestandes werden individuell getestet. Dabei werden neben PI Tieren auch seronegative Muttertiere gesucht, weil nur diese neue PI Tiere generieren können. Sie können dann entsprechend abgeschirmt werden, etwa gegen PI Tiere welche nach dem ersten Test geboren werden. Individuen mit sehr tiefem oder nicht feststellbarem AK-Titer sollen auf das Vorhandensein von Virus getestet werden. Viruspositive Tiere sollen ein zweites Mal getestet und bei erneut positivem Befund eliminiert werden.
  • 2. Alle nachfolgend geborenen Kälber werden getestet. Weil sich zum Zeitpunkt des unter Punkt 1 genannten Tests der ganzen Herde PI Tiere in utero befinden können, werden die neugeborenen Kälber nach etwa 10 Wochen (keine Interferenz mit maternalen Antikörpern mehr) noch einmal auf AK und Virus getestet.
  • 3. Alle beim initialen Test seronegativen Kühe werden ca. 12 Monate nach Beginn der Aktion noch einmal auf AK getestet, falls in diesem Jahr PI Tiere geboren wurden oder Tiere mit unbekanntem Status (z.B. frühe Abgänge) im Betrieb waren.
 

Die Komponente “Aufklärungsarbeit” wird in Schweden groß geschrieben. Nicht alle Berufsgruppen lassen sich mit den gleichen Argumenten zur Teilnahme am Eradikationsprogramm bewegen. Deshalb wird versucht, bei allen (Landwirten, Tierärzten, Besamern, Milchverarbeitern etc.), welche an der BVD-Übertragung beteiligt sein könnten, durch maßgeschneiderte Information das Interesse an der BVD-Prävention zu wecken. Die Landwirte als zentrale Entscheidungsträger bezüglich Tierverkehr (An- und Verkauf, Benützung gemeinsamer Weiden) und Biosicherheit auf dem Hof werden dabei besonders in die Verantwortung genommen.